Kaikaoss

Pygmalions Traum

Öl/ Lw., 80x150 cm

„ Pygmalions Traum‘ zeigt eine nackte junge Frau auf einem Löwen sitzend. Sie befin-det sich auf einer Art Bühne, die überwiegend mit rotem Stoff ausgeschlagen ist. Um sie herum befinden sich teilweise an die Antike erinnernde Skulpturen im Unterschied zur lebendig erscheinenden Frau und dem Löwen sind die anderen Figuren durch ihre an-dere Farbigkeit deutlich als Skulpturen erkennbar. Im Hintergrund schaut man in eine weite Landschaft, in der ebenfalls Skulpturen – teilweise auf Sockeln – stehen.
Neben den ‚antikisierenden‘ Skulpturen sehen aber die Putten trotz ihrer Grautönung ausgesprochen lebendig aus. Sie scheinen herumzutollen und treten deutlich zueinan-der in Beziehung.
Die junge Frau schaut nach rechts oben aus dem Bild heraus – sie hat eine Haarsträh-ne im Mund, um ihre Unterarme und auf ihrem Schoß liegen farbige Tücher. Der Löwe scheint sich an ihr Bein zu schmiegen – er hat die Vorderpfoten sehr zierlich übereinan-dergelegt – obwohl die Krallen seiner linken Pfote doch ganz schön gefährlich ausse-hen.
Im Vordergrund rechts befindet sich ein perspektivisch nach hinten verlaufendes Gitter. Von dort aus beleuchtet ein Scheinwerfer die Szene.

Um dieses Bild einordnen zu können, ist es sicher nötig, sich mit der Geschichte zu be-schäftigen, die hier dargestellt wird.
Pygmalion ist an sich ein griechischer Mythos, der dann besonders in der Fassung von Ovid bekannt geworden ist. Danach ist Pygmalion durch schlechte Erfahrungen zum Frauenfeind geworden. Er lebt nur noch für die Bildhauerei. Eines Tages schafft er eine weibliche Statue aus Elfenbein, die ihm so natürlich gelungen ist, dass er sich in sie ver-liebt. Schließlich bittet er Aphrodite, die Göttin der Liebe, sie möge die Figur zum Leben erwecken – das gelingt und die beiden vereinigen sich.

Diese Geschichte ist seit der Renaissance immer wieder in der Malerei Thema gewe-sen – die Tatsache, dass ein vom Künstler geschaffenes Werk zum Leben erweckt wird, hat natürlich viel mit der Position des Künstlers zu tun. Erst nachdem die Maler, Bildhauer usw.  nicht mehr als einfache Handwerker sondern als Künstler – also als Schöpfer eigener Welten betrachtet wurden, konnte ein solcher Mythos für sie bedeu-tend werden.
Es mag auf den ersten Blick erstaunlich sein, dass Kaikaoss als afghanischer Künstler einen griechischen Mythos in der Fassung eines klassischen römischen Dichters auf-gegriffen hat. Hierbei kann man aber gut sehen, dass antike Mythen etwas Archetypi-sches haben und also auch für ihn bedeutsam sein können. Der Künstler als der Schöp-fer neuer Welten, als ein Erzeuger von Dingen gewissermaßen parallel zur Natur – das passt wie kaum ein anderes Prädikat gerade für Kaikaoss. …“
Dr. Rainer Grimm